Schreiben in Zeiten von Corona

Es gibt momentan unermesslich viele Gründe, sorgenvoll zu sein. Meine Antwort darauf: Ablenkung meiden. Und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

Natürlich haben wir uns gefragt, was uns erwartet, ob es sicher sei in Singapur. Wir hatten ja keine Ahnung, damals, Ende Februar.

Zehn Tage später – am Ende eines unbeschwerten Traumurlaubs – saßen wir auf Perhentian Besar und fürchteten uns vor der Nachricht, Singapur könnte den Laden dicht machen und keine Europäer mehr ins Land oder in den Transitbereich lassen. Wir hatten da so eine Ahnung.

Die Nachricht erreichte uns vier Tage nach unserer Rückkehr und wir waren froh, dass wir die lange im Voraus gebuchte Reise noch hatten erleben und planmäßig beenden können, die letzte für unbestimmte Zeit.

Drei Wochen ist es her, dass wir wieder in die Heimat zurückgekehrt sind, zwei Wochen seit Angela Merkels „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“. Seitdem sitzen wir #zuhause (wenn wir nicht einkaufen sind oder in den nahen Wald gehen, zum Durchatmen) und tun das, was uns am sinnvollsten erscheint: Versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

Deprimierende Prognosen

Es ist nicht sonderlich mutig zu prognostizieren, dass dieser März 2020 – wenn wir in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren darauf zurückblicken werden, wie das Coronavirus um den Planeten ging – eine Zäsur darstellen wird. Was auf der anderen Seite der Grenze liegt, ist weniger eindeutig.

Gründe, deprimiert zu sein, gibt es viele. Wegen (Stand Montagvormittag) mehr als 34.000 mindestens an Covid-19 gestorbener Menschen weltweit (Quelle: Johns-Hopkins-Universität). Wegen der Zustände in Italien und Spanien. Wegen befürchteter Zustände in Indien, Afrika oder Flüchtlingslagern. Wegen weiterer schauriger Prognosen. Wegen der Frage, welche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Folgen diese Auszeit, die wir erleben, haben wird, hierzulande und anderswo – und wie lange sie noch andauern muss.  

Auch Heerscharen an Schriftstellerinnen und Schriftsteller und andere Akteure der Literaturwelt fürchten um ihre Existenz. Ob die Staatshilfen ausreichen, wie viele unabhängige Verlage und kleine Buchhandlungen aufgeben müssen, was das für die Autorenwelt bedeutet – alles offene Fragen.

Home Office extrem

Die Liste an Unerfreulichem ließe sich beliebig fortsetzen – die Live-Blogs der Onlinemedien zum Coronavirus liefern Stoff ohne Ende. Aber sich permanent damit zu beschäftigen, hat nur einen einzigen nachhaltigen Effekt: den der Lähmung.

Social Distancing ist das Gebot der Wochen. Und die zeitweise Distanzierung tut auch gegenüber dem Nachrichtenfeuer und (mehr denn je!) den sozialen Netzwerken gut.  

Deshalb sitze ich im Arbeitszimmer und schreibe, während S. – mangels geöffnetem Atelier – im Wohnzimmer denkt und malt. Immer wieder setzen wir uns zusammen und diskutieren unser Tagwerk. Wir debattieren Grundsätzliches (dazu bald an anderer Stelle mehr) und wir sorgen uns nicht – oder so wenig wie möglich.

Was wohl davon übrigbleibt?

Von Eva Menasse las ich sinngemäß, sie könne derzeit nicht viel schreiben – der Coronavirus sei zu groß, er verschlucke alles. Ein geschätzter Kollege aus dem Ländle schrieb mir, ihm fehle in diesen Tagen der Zug.

Ich habe mich in die Produktivität geflüchtet. Und in die tiefere Auseinandersetzung mit den Erzeugnissen dieser Produktivität. Zwei Erzählungen sind bisher entstanden, dazu Fragmente eines Märchens, der neue Roman drängt ebenso – und das parallel zu den Aufträgen, mit denen ich meine Brötchen und mein Klopapier bezahle und die glücklicherweise weiterhin eintrudeln.

Was davon hängen bleibt, ob überhaupt irgendetwas davon hängen bleibt, jemals Bedeutung erlangen und jemanden berühren wird, weiß ich nicht. Aber ich würde mir wünschen, dass – wenn ich in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren auf diese Zeit zurückblicke – nicht nur das Unheil zum Vorschein kommt.

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